Wut und Verzweiflung

Auf die Straße gegen den Krieg

Dieser Tage weiß man kaum wo hin mit Wut, Trauer, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Mit seinen Gefühlen und Ängsten. Auf die Straße und gegen Krieg, das ist eine Möglichkeit.

Man kann auch zur Therapiestunde gehen und sich ausheulen. Der Effekt auf Putin wird der gleiche sein, nämlich keiner. Der wird sich in seiner Raserei kaum von Zeichen der Menschlichkeit zur Vernunft bringen lassen. Auch nicht von Kerzen, die gestiftet und Gebeten, die gebetet werden.

Und doch ist es wichtig, solche Zeichen zu setzen. Nicht zuletzt für die eigene psychische Gesundheit.
Man fühlt sich als Teil derer, die auf der richtigen Seite stehen. Und wer auf der Seite des Friedens steht, steht immer gut.

Wir sind alle Ukrainer

Man möchte sich an der Hand nehmen und in einmütiger Solidarität ein mächtiges "in diesem Moment sind wir alle Ukrainer" gegen die in der Ferne rollenden Panzer brüllen. Man möchte gemeinsam in einem blau-gelben Rausch aufgehen.

Auf der Bühne geben sich die Redner und Rednerinnen die Klinke in die Hand. Von ganz Links bis sehr weit Rechts. Man klatscht begeistert Beifall. Ein unbekanntes Gefühl der Einigkeit kommt auf. Es läuft einem in wohligen Schauern den Rücken hinab.

Applaus

Putin wird zum Rückzug aufgefordert.
Applaus.
Ein Schweigen der Waffen wird gefordert.
Applaus.
Wir sind alle Ukrainer.
Applaus.
Wir fordern Waffen für die Ukraine.
Applaus.
Der Krieg gegen die Ukraine ist Genozid.
Applaus.

Geht da das Wort Genozid nicht etwas arg locker über die Lippen?

Bleibt einem der Applaus da nicht irgendwann sozusagen im Halse stecken? Wird da nicht gedankenverloren bei jeder rhetorischen Pause geklatscht? Auch bei Aussagen, die man noch vor wenigen Tagen brüsk von sich gewiesen hätte?

Oder schwören wir uns bereits auf weit größeres ein. Auf die schlimmst denkbaren Szenarien, die ein Herr Putin bereits auf die Leinwand der Geschichte zeichnet. Auf einen Dritten Weltkrieg? Auf einen Atomkrieg?

Burgfrieden

Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche

= Wilhelm II. - 1914 =

Vor ein bisschen mehr als hundert Jahren ist mit dem markigen Spruch "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche" und einem blinden Hurrapatriotismus Europa in ein Meer aus Blut und Tränen gestürzt worden. So finde ich diesen zur Schau getragene Burgfrieden dieser Tage schon auch etwas gespenstisch und hoffe sehr, dass wir uns nicht in kurzer Zeit gemeinsam in den Schützengräben wieder sehen müssen.

Und ja, ich war auch dabei an diesem Dienstag Abend, den 2. März 2022, auf dem Königsplatz in München.