Abt.: Ein wenig Plastik extra

Aussterben mit Milch

Warum wir aussterben müssen und was das mit einem Liter Milch zu tun hat, das mag auf den ersten Blick nicht recht ersichtlich sein. Und auch nicht, warum das eigentlich ganz gut so ist, dass wir aussterben müssen. Aber ich will euch das gerne erklären.

Die Milch gehört zur menschlichen Ernährung dazu, wie... egal, als Baby nuckelten die meisten von uns gelegentlich Milch. Also die Milch, die sich per Definition Milch nennen darf, weil sie ein echtes Drüsensekret ist.

Die einen Muttermilch, die anderen Ersatzprodukte aus Kuhmilch. Und genau darum soll es im Folgenden gehen, um Kuhmilch.

So eine Kuhmilch wird schon von alters her im Euter einer Kuh produziert. Von da aus hat sie irgendwann den Weg in den modernen Kühlschrank gefunden. Und weil so eine Milch flüssig ist und man Flüssigkeiten nicht so gerne freisuppend zwischen Aufschnitt und Gemüsefach hat, wird die Milch gerne in einer Verpackung aufbewahrt.

Meine erste, bewusste Begegnung mit Milch im Kühlschrank wird wohl in Form einer dem Tetrapack nicht unähnlichen Verbundstoffverpackung gewesen sein. Diese Verpackung zeichnete sich dadurch aus, dass sie rundrum aus ein und dem selben Verbundstoff bestand. Schlimm genug.

Um diese Verpackung zu öffnen bedurfte es eines Werkzeugs. Um genau zu sein einer Küchenschere. Ganz gut traf es sich daher, dass so eine Milchverpackung meist in einer Küche geöffnet werden wollte und die Küchenschere quasi per Definition ihren Aufenthaltsort in unmittelbarer Nähe, eben in der Küche, hatte.

Also Milch aus dem Kühlschrank. Ecke abschneiden und Milch in den Kaffee. Fertig. Hat jahrelang gut geklappt.

Zwischenzeitlich haben sich immer mal wieder mehr oder weniger Berufene mit mehr oder weniger Erfolg an einer Überarbeitung der Milchverpackung gemacht.

Da gab es einige Zeit mal diese Milchschläuche, die in Einkaufstasche und Kühlschrank herumwabbelten. Die liessen sich zwar ebenfalls einfach mit der Küchenschere öffnen. Die Lagerung ob ihrer instabilen Beschaffenheit erwies sich jedoch als schwer handhabbar. Es gab da so Plastikkannen, in die man die Tüten stellen konnte. Dass die Milch dann zwischen Tüte und Kanne herumschlabberte, machte die Angelegenheit etwas unhygienisch.

Die Milch daheim in eine Flasche umzufüllen mag jemanden zu dieser ausgefallenen Idee inspiriert haben: Die Milch in Milchflaschen abfüllen. Recherchen haben ergeben, dass diese Idee tatsächlich gar nicht so neu und auch nicht besonders innovativ war.

Milchflaschen waren das Mittel der Wahl, bevor sich Kunststoff und Verbundmaterial etablieren konnten. Inklusive der Idee der Wiederverwendbarkeit.

Ich für meinen Teil fand die Idee der stählernen Kuh ganz besonders pfiffig. Mit einer Pfandflasche konnte man sich im Supermarkt die frische Maß Milch am Automaten zapfen.

Hat sich nicht durchgesetzt(1). Man hatte Hygienebedenken und dass die Bevölkerung durch belastete Milch dahingerafft werden könnte.

Das schöne an der Milchflasche ist ihre bestechende Einfachheit und Einfallslosigkeit. Unten eine Glasflasche und oben ein Schraubverschluss. Fertig. Da gibt es nichts zum rumbasteln.

Ganz im Gegensatz zum Verbundkarton. Die Verpackungsindustrie hat das Öffnen und mittlerweile auch das Verschliessen zum Spielball ihrer Kreativität erkoren. Wahrscheinlich gab es mal eine Umfrage unter Milch-Usern(2), was ihnen an der Milchverpackung am meisten aufstosse. Natürlich war die Antwort "das mit dem Öffnen". Weil so ein Milchkarton nicht recht viel mehr Features bietet.

Niemand kommt auf die Idee zu sagen "wenn der Karton nur etwas stromlinienförmiger wäre". Oder hätte Wünsche wie "im Winter gerne mit Schneeketten". Ein Milchkarton hat das Feature "aufmachen und ausgiessen". Fertig.

Das heisst aber noch lange nicht, dass "Lasche anheben und abschneiden" so ein richtiges Pain in the Ass Problem ist, auf das man unbedingt eine ganze akademische Disziplin ansetzen muss. Die Fachschaft der Verpackungstechnik sieht das naturgegeben anders. Für die ist das Ansporn und Herausforderung.

Seither gibt es - oft nicht sehr langlebige - Studien zu bestaunen:

  • Laschen zum Aufklappen.
  • Laschen zum Abreissen.
  • Ausgiesser mit Alu-Kunststofflasche
  • Ausgiesser aus Kunststoff zum Aufreissen
  • Ausgiesser mit Schraubverschluss
  • zum Aufdrehen
  • zum Aufreissen
  • in klein
  • in groß


Und jetzt auch in der Variante "Deckel bleibt an Karton hängen". Und dazu ein Text, der uns erzählt, dass sei der Umwelt zuliebe. Damit nicht so viele Plastikdeckel in Feld und Flur verschwinden.

Und genau jetzt sind wir an dem Punkt warum wir aussterben müssen. Anstatt das Naheliegende zu tun und den Plastikdeckel einfach weg zu lassen - denn was es nicht gibt, kann auch nicht zum Problemmüll werden - verkauft uns die Industrie das Quäntchen Plastikmüll auf dem Milchkarton als Segen, den es zu erhalten gilt.

Na servus.

(1) Wobei ich Anno 2021 so eine stählerne Kuh in Reichenau an der Rax gesehen habe. Ist also noch nicht ganz ausgestorben.
(2) "Milch-User" finde ich ein sehr scheussliches Buchstabenkonstrukt. Aber nicht ganz so scheusslich wie "Milchtrinkende".