Wer darf im Bett liegen?
Corona oder Krebs
Wir - also die Menschen als solche - haben uns mal zusammen getan, weil es zusammen irgendwie besser funktioniert. "Die Starken schützen die Schwachen", Solidarität und so Sachen. Dafür gilt es zu streiten. Corona stellt uns da gehörig auf die Probe.
Die SZ fragt:
"Die Intensivmedizin in Deutschland steht kurz vor dem Kollaps. Die Gesellschaft steht vor der Frage: Soll eine Krebspatientin nicht operiert werden, weil ein Ungeimpfter das Bett belegt?"
Eine schlimme Frage. Eine sehr schlimme, wie ich meine. Eine Frage, die geradezu an den Grundfesten unserer Gesellschaft rüttelt.
Sie rüttelt an dem Konsens, der es uns ermöglicht, in einer fragilen Harmonie mit unseren Mitmenschen zu leben.
Eine Frage, die weit über den Gewissenskonflikt einer realen Situation - Stichwort Triage - in einer Extremlage in einer Notaufnahme im Krankenhaus hinaus geht.
Eine Frage, die in einer zivilisierten Gesellschaft nie gestellt werden darf. Denn es ist eine wertende Frage. Eine Frage, die in gut und böse unterteilt. Eine Frage, die die Vernunft ausschaltet und auf die primitiven Instinkte abzielt. Eine Frage nach wertem Leben und unwertem.
Eine Frage, vor deren Antwort ich Angst habe. Vor der wir alle Angst haben sollten.
Und doch eine Frage, auf die unsere Gesellschaft antworten muss. Und sie muss laut und kräftig antworten. Mit voller Überzeugung, so dass es allen Zweiflern den Zweifel aus dem Gesicht zieht. Sie muss keine großen Worte tun. Keine Diskussionen anstrengen. Sie muss einfach sagen "DANN STELLEN WIR DA EBEN NOCH EIN BETT HIN! UND NOCH EIN ZWEITES UND EIN DRITTES!". Sie muss sagen, als Gesellschaft lasse ich mir so eine Frage nicht gefallen. Geh verdammt noch mal in die Wüste, dahin wo es keine Menschen und keine Gesellschaft gibt. Und stell deine Frage da. Da, wo sie keiner hören kann.
Wenn unsere Gesellschaft nicht in der Lage ist, diese Frage so eindeutig und klar vom Tisch zu wischen.
Diese Gesellschaft, die Millionen und Milliarden in Autobahnen, Soldaten, in Verwaltung und Behörden, in Parkplätze und Steueroasen stecken kann.
Wenn diese Gesellschaft es nicht schafft, die zweimarkfünfzig in die Hand zu nehmen um diese Frage vom Tisch zu wischen. Leute, echt...
Weil wisst ihr, was da noch für Fragen im Schlepptau kommen? Wisst ihr das? Ne, wisst ihr nicht. Habt ihr euch noch keine Gedanken gemacht. Da kommen dann nämlich so Fragen:
Sollen wir den Skifahrer flicken oder doch erst das Kind.
Erst den Porschefahrer oder erst den Herzinfarkt?
Wie finde ich das denn, wenn ich mich mein Leben lang gesund ernähre, soll ich dann für einen Raucher...
Übergewicht? Selbst schuld.
Was muss die auch Fallschirmspringen.
Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die jederzeit zu jedem sagt "Ich bin für dich da. Ich lass dich nicht im Stich." Die sagt "Und wenn es ums Geld geht, daran soll es nicht scheitern". So will ich das haben.