Von Feen und Systemen
Die große Lottoverschwörung
Gelegentlich erreichen uns Hilferufe gepeinigter, hilfesuchender ZeitgenossInnen. Manche finden sich in der zunehmend komplexer werdenden Umwelt nicht mehr zurecht. Andere werden verfolgt und fühlen sich eingeengt. Wieder andere sind einer großen Sache auf der Spur, wissen aber nicht mehr weiter. Da springt unser Rechercheteam ein und bringt Licht ins Dunkle.
Anonym wurde uns folgendes über WhatsApp zugespielt:
"Warum kommen die Lottozahlen in der Tagesschau? WARUM? Tradition? Staat braucht Geld? Das hat da nichts zu suchen!"
Die stimme klang gehetzt, beinahe verzweifelt. Diesem Menschen muss geholfen werden. Die Rösser gesattelt und mutigen Herzens in den Nebel des Ungewissen.
Wo anfangen? Vielleicht bei der Tagesschau? Ja, das hört sich vernünftig an. Sonntag, 20:00 Uhr, wir sitzen vor dem Fernseher. Wir und wenigsten weitere acht Millionen(1) Lottospieler starren gespannt auf den Fernseher und... nichts kommt. Zumindest keine Lottozahlen. Gut, vielleicht geht es um die Tagesschau am Montag. Auch nicht. Hat uns der Anrufer etwa behumst? Wir geben nicht auf. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, langsam zweifeln wir. Freitag auch nichts. Sollen wir aufgeben? Nein, der Vollständigkeit halber schauen wir auch am Samstag... und siehe da, die Lottozahlen.
Wir haben sie also gefunden. Am Samstag. Gut versteckt, wer schaut schon am Samstag zur besten Ausgehzeit die Nachrichten?
Jetzt haben wir uns die Bänder vergangener Jahrzehnte bringen lassen. Und wirklich, in jeder Samstagsausgabe der Tagesschau werden die Lottozahlen verlesen. Seit 1965. Da steckt Methode dahinter.
Das Bekanntgabe der Lottozahlen ist wohl eine der langlebigsten Serien ever. Und die Story, sie wiederholt sich nicht. Nicht ein einziges Mal. Sie ist immer spannend und überraschend. Das obwohl die Handlung einem strengen Schema folgt. Nach dem Auftakt "Und hier die Lottozahlen" werden die Zahlen der Reihe nach verlesen. Die Spannungskurve steigt bis zum "und die Zusatzzahl lautet". Egal wie sie lautet, die Nennung ist der absolute Höhepunkt. Den Abschluss bildet der lakonisch vorgetragene Satz "wie immer ohne Gewähr".
Je öfter wir uns diese kurzen Episoden angesehen haben, desto mehr Fragen haben sie aufgeworfen.
Woher kommen die Lottozahlen? Sind sie ein Werk Gottes? Sind sie von Menschenhand? Hat das Wetter einen Einfluss? Oder die Erddrehung? Und was haben die Medien damit zu tun?
Warum die Medien? Wir haben nachgesehen, in allen Tageszeitungen werden Lottozahlen abgedruckt. Regelmässig und ... Stichproben haben ergeben, in allen Zeitungen stehen exakt die gleichen Zahlen. Dazu haben wir unseren Medienexperten Paul Balthasar befragt:
Da recherchiert doch niemand mehr. Die schreiben doch alle voneinander ab.
Doch woher kommen diese Zahlen? Aus Insiderkreisen bekamen wir den Hinweis auf die Lottofee(2). Schnell stellten wir fest, dass es nicht die eine Lottofee gibt, es gibt eine ganze Dynastie. Die Lottofeen sind seit Beginn der Lottoziehungen mit von der Partie. Es ist zu vermuten, dass die Feen die Lotteriekugeln mit ihrem Feenstaub durcheinander wirbeln. Sie gelten als unbestechlich.
Doch nicht alle glauben an die Lottofee. Es gibt LottospielerInnen, die gehen das viel profaner an. Mit System. Und wahrlich, es gibt da nicht nur ein System. Wir haben viele gefunden und die wichtigsten wollen wir hier kurz vorstellen.
1. Das Geburtstagssystem
Es wird ein bestimmtes Geburtstag gewählt. Das des Ehepartners, der Kinder, der Eltern oder das von Otto von Bismarck und das wird Woche für Woche hartnäckig angekreuzt.
2. Das Mittwochssystem
Die Zahlen, die beim Mittwochslotto gezogen werden, vielleicht sind das die gleichen Zahlen, die am Samstag wieder eingesetzt werden.
3. Das System "hätte ja sein können"
Dabei wird lediglich eine Zahl angekreuzt. Wird diese gezogen, fühlt sich der Spieler, die Spielerin bestätigt, auf der richtigen Spur gewesen zu sein.
Egal wie wir uns dem Thema nähern, eine Frage haben wir nicht klären können: Wie sehen die Lottozahlen nächsten Samstag aus?
Dazu noch einmal unser Experte Balthasar:
Da steckt doch kein System dahinter. Man bekommt den Eindruck, die Zahlen werden ausgewürfelt.
(1) Die sieben Millionen, die am Sonntag mit uns zusammen die Tagesschau gesehen haben, waren übrigens acht Millionen und haben das wegen dem Tatort gemacht, der direkt im Anschluß gesendet wurde. Aber das ist ein anderes Thema.
(2) Die Lottofee wurde ganz offenbar weit vor Beginn der Genderdebatte engagiert. Denn Feen sind immer weiblich. Selbst wenn sie männlich sind. Fragt jetzt bitte nicht, wie sich Feen vermehren.
"Leider", erklärt er der Redaktion, "gibt es kein männliches Pendant zur weiblichen Fee." Punktum. Das war's denn wohl. Die Feen seien Wesen aus der Mythologie der romanischen Völker. (mainpost.de)