Bücher wirft man nicht weg!
Ein Buch, viele Bücher
Ich habe gelesen, dass ein Autor und Ethikfachmann seine Wohnsituation von 140 auf 240 Quadratmeter verändern muss, unter anderem, um seine auf Holz gebannten Buchstaben repräsentativ unter zu bringen. Das hat etwas heimelig und auch niedlich verstaubtes. Bilder eines nickelbebrillten bibliophilen, vielleicht ein wenig verspulten Studenten oder Professors wandeln vor meinem geistigen Auge.
Es hat schon etwas intellektuelles, wenn man sich vor einer Bücherwand ablichten lässt oder seine Bibliothek als Hintergrund für ein Online-Meeting nutzen kann.
Bücher schmeißt man nicht weg. Haben sie gesagt. Bücher hätten nämlich einen Wert. Haben sie gesagt. Was sie nicht gesagt haben ist, dass dieser Wert Taschenbücher nicht mit einschließt. Und auch Trivialliteratur haben sie damit nicht gemeint. Eigentlich erstreckt sich dieser Wert nur auf Erstausgaben. Mit Ledereinband und von Gutenberg signiert. Oder von Hand abgemalte Exemplare aus der Zeit vor Gutenberg. Ihr wisst schon, so wie in "Der Name der Rose".
Das dämmerte mir langsam, als ich versuchte, ein paar meiner Bücher auf Flohmärkten und Bücherbazaren zu versilbern. "Was, ein Kilo Buch für eine Mark, das ist aber teuer." Sauerbier brauen ist ein lohnenderes Geschäft.
So habe ich denn eine beachtliche Menge Bücher angesammelt. Und ich fand das prima in Mitten der Bücherregale zu sitzen und zuzusehen, wie sich Meter um Meter mit Lesenswertem füllte. Und weil die Regale bald nicht ausreichten, habe ich vor die erste Lage Bücher eine zweite geschichtet.
Die Regale sind aus meinem Zimmer hinausgewachsen, haben sich durch den Gang in die Küche gerankt. Die Auswahl an Klolektüre konnte sich sehen lassen. Pflanzen mussten weichen. Das Bettgestell durch Bücher ersetzt. Der Raum zum Wohnen und zum Leben, der wurde immer weniger.
Und wie ich so zwischen all den Büchern saß, wuchs langsam aber quälend eine Gewissheit: Keins der Bücher würde ich ein zweites Mal lesen. Ich war in doppelter Hinsicht von totem Kapital umgeben. Tot, weil das Kapital einfach kein Kapital ist, sondern tatsächlich nur Altpapier. Und tot, weil das nie wieder gelesen wird. Weder von mir, noch von irgendwem anderen.
Das E-Book wurde gefeiert. Weil es uns endlich die unsägliche Qual abgenommen hat, morgen für morgen 200, 300 Bücher mit uns in die U-Bahn zu schleppen. Nur weil wir nach dem Frühstücksei noch nicht wussten, mit welchen Themen wir uns die Zeit bis zur Arbeit versüßen wollten. Was war das immer für ein Bohei, wenn hinter dem Linienbus eine Armada von Bücherbussen folgte. Jetzt können wir unsere Bibliothek getrost in die Jackentasche stecken. Bits und Bytes nehmen im Regal kaum Platz ein. Und so ein E-Book-Reader liest klaglos all die Bücher, die wir selbst nicht lesen wollen.
Und dann gibt es noch die zwei oder drei Bücher, die ich tatsächlich zwei oder dreimal gelesen habe. Die finde ich aber nicht wieder. Die finde ich nicht wieder, weil ich sie verliehen oder verschenkt habe. Wenn ich so nachdenke... ja, das ist ein guter Umgang mit guten Bücher. Weitergeben. Bücher, die es nicht verdient haben, weitergegeben zu werden, die sind es auch nicht wert, aufgehoben zu werden. Also eigentlich. Uneigentlich habe ich nach wie vor Bücher in Schränken und Regalen, in die ich sicher nie wieder rein schauen werde.