Abt.: Nazis klatschen

Gewalt gegen Nazis

Schicken wir etwas vorweg, was in diesem Fall vorweg geschickt werden muss: Gewalt ist keine Lösung.
Gewalt ist Hilflosigkeit, Dummheit oder... fragt beim Aggressionstraining eurer Wahl nach.

Rechtsstaat

Und ebenfalls vorweg möchte ich bekräftigen, dass ich seit geraumer Zeit bekennender Fan der Rechtsstaatlichkeit bin. Was besseres haben wir nicht. Und das ist schlimm genug.

Kurz rekapituliert: In einem Rechtsstaat gibt es Gesetze, die für alle gelten. Ein Gemeinplatz, den man sich gelegentlich in Erinnerung rufen sollte.

Das sollten sich vor allem auch jene in Erinnerung rufen, die den Rechtsstaat vertreten. Und da klappt das Rufen eher mässig. Insbesondere, wenn es um die Verfolgung und Ahndung politisch motivierter Straftaten geht.

Würde nämlich die Staatsgewalt, repräsentiert von Polizei und Staatsanwaltschaft, ihren Job gut machen, dann gäbe es keine Gewalt gegen Rechts, weil es dann das Rechts nicht gäbe.
Weil das aber nicht so ist, hm, da fällt es mir schwer, jemanden moralisch zu verurteilen, wer das tut, was eigentlich der Staat tun sollte.

Wie ich darauf komme? Dazu möchte ich ein paar Zahlen heran ziehen.

915

So viele Haftbefehle gegen Rechtsextreme können von der Polizei nicht vollstreckt werden. Können oder wollen? Das sind 915 potentiell untergetauchte Gefährder. Und ein starkes Zeichen, dass der Staat da ein wenig lax mit seinen Pflichten umgeht.(1)

23.493 : 6.976

Das ist das Verhältnis rechter Straftaten (23.493) zu linken Straftaten (6.976). Ich finde, dieses Verhältnis plakatiert recht deutlich, wo es Defizite im Umgang mit politisch motivierten Straftaten gibt. Also falls mal wieder jemand nach einem Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft ein "aber die Linksradikalen" in die Kamera schwadroniert.(2)

Moral

Ob es moralisch verwerflich ist, einen Nazi zu schlagen? Das muss jeder für sich selbst beantworten. Muss sich dabei Fragen stellen wie:

  • Ist jemand, der den Mord an 6 Millionen Juden gut heisst satisfaktionsfähig?
  • Soll man mit jemandem, der einen Krieg mit 60 Millionen Toten verteidigt wirklich diskutieren?
  • Möchte man mit jemandem am Tisch sitzen, der vor Hass ganz grün, äh... braun im Gesicht ist?
    So ein Nazi ist nämlich per se menschenverachtend. Sonst wäre er nämlich kein Nazi.
  • Muss ich jemanden tolerieren, der mich nicht toleriert?
  • Muss ich darauf warten, bis der Nazi den ersten Stein wirft?

Zitate

"Ob Links- oder Rechtsterrorismus – da sehe ich keinen Unterschied”“Doch, doch”, ruft das Känguru, “die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos sind schlimmer, denn es hätte meines sein können. Ausländer besitze ich keine.

= Marc-Uwe Kling - Die Känguru-Chroniken =

Sätze, die man im Zusammenhang mit Nazis selten hört:

Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnte vor einer Verharmlosung der Szene um Lina E. „Man muss dahinter ein Netzwerk vermuten“, sagte der Politiker.

= Frankfurter Rundschau (3) =

Denn Nazis sind so lange Einzeltäter - oder schlicht gar keine Nazis - bis selbst der Blinde mit dem Krückstock nicht mehr anders kann.

Hingegen wird im linken Spektrum bereits ein Netzwerk vermutet, wenn jemand sein Spiegelbild beim Zähneputzen betrachtet.

[Update]: Gerade gelesen:

Dass sich eine Gruppe so weit radikalisieren konnte, führt Kramer (Präsident Thüringer Verfassungsschutz) auch auf ein Gefühl zurück. "Das Gefühl, dass nicht genug gegen Rechtsextremismus getan wurde und wird. Wir müssen uns als Staat große Sorgen machen, wenn Bürger das Gefühl haben, dass Selbstjustiz - die ich verurteile - nötig ist."

= ZDF (4) =

Ganz offenbar bin ich nicht der einzige, der das Gefühl hat, dass in diesem Lande nicht genug gegen Rechtsextremismus getan wird. Dass ich da auf einer Linie mit dem Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes liege... das gibt - hoffentlich nicht nur - mir zu denken.