Hautmalereien
Tattoos - wer hätte das gedacht
Manches verändert im Laufe der Zeit Bedeutung und Aussage. Manchmal kann einem das reichlich egal sein. Manchmal ist es aber auch reichlich peinlich.
Zieht nun euer T-Shirt aus und stellt euch vor den Spiegel. Was seht ihr? Nein, ich meine nicht den Bauchansatz, nicht die grauen Brusthaare und auch nicht die Falten, die sich hie und da zeigen. Ich meine die Körperbemalung. Seit ihr stolze TattooträgerInnen? Oder verdeckt ihr eure Schätze schamhaft? Gehört ihr zu denen, die immer zu feige für den ersten Stich waren? Oder konntet ihr euch nur nie für ein erstes Motiv entscheiden?
In meiner Jugend - also in der dunklen Vorzeit zwischen Hippie und HipHop - waren Tattoos verrucht und verrufen. Und alles was verrucht und verrufen war übte eine gewisse Faszination aus. Speziell in verrucht und verrufenen Kreisen. So auch bei den Punkersbuben und Mädchen. Je fieser ein Tattoo, desto angesehener der Träger, die Trägerin. Unter Schmerzen selbst gestochen oder unter Aufbringung allen Mutes bei einem richtig fiesen Tattoowierer oder einer nicht minder fiesen Tattoowiererin abgeholt. So war das damals. Zumindest in meiner Phantasie.
Ebenfalls in der Phantasie - und das nicht nur in meiner - standen Tattoos irgendwo zwischen wettergegerbten Seebären, Knast erfahrenen Schurken und freiheitsliebenden Abenteurern. Eben verrucht und verrufen.
Im Laufe der Zeit wurden aus stümperhaften Selbstverstümmelungen prächtige Hautgemälde. Im Laufe der Zeit wurde aus "verrucht und verrufen" ein Szene Must-have, das auch Nachwuchs-Punks auf Oberarm und Unterschenkel mit sich herum trugen.
Heute ist ein Hipster kein Hipster ohne Körperbemalung. Eine Tussi keine Tussi ohne Arschgeweih. Wer im Sommer kein Tribe am Arm hat, trägt schamhaft Langarm. Und im Fußball dauert es sicher nicht mehr lange, bis sich Torwart und Stürmer die Logos ihrer Sponsoren auf den Wanst pinseln lassen müssen.
Was einst als Privileg der Außenseiter begonnen hat, ist längst in den Niederungen der gesellschaftlichen Banalität angekommen.
Heute bin ich froh, dass ich damals zu denen gehört habe, die sich nie für das richtige Motiv entscheiden konnten.