Putin? Verstehe ich nicht!
Über Putin
Es gibt Putinversteher und Leute, die Putinversteher nicht verstehen. Da werden Fronten gebildet. Ich verstehe Putin nicht. Und auch Putinversteher nicht. Und auch nicht die, die Putinversteher nicht verstehen. Das ist nämlich gar nicht so einfach.
Lupenreiner Demokrat
Dem Herren Putin wird vorgeworfen, es mit den Menschenrechten nicht so genau zu nehmen. Ihm wird vorgeworfen, eine etwas eigenwillige Auslegung von Demokratie und freien Wahlen zu haben. Das stimmt, das ist alles richtig. Und doch ist das alles kein Alleinstellungsmerkmal von Herrn Putin. Auch in den Bündnissen und Unionen der westlichen Welt gibt es Länder, die demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Werte und Gepflogenheiten recht eigensinnig umsetzen. Die Europäische Union hat Polen und Ungarn. Die NATO hat die Türkei.
Sieht man sich auf der Welt so um, wird man feststellen, dass die Einhaltung der Menschenrechte keine Grundbedingung im politischen und wirtschaftlichen Miteinander der Staaten ist. Schließlich macht auch Deutschland prima Geschäfte mit autoritären Regimen und Ländern deren Opposition im Gefängnis sitzt. So lange der Rubel rollt, ist das unerheblich. Erst wenn sich Despoten dann anschicken mit Deutschen Waffen auf das eigene Volk zu ballern, wird mit Krokodilstränen nicht gespart. Dann werden Exporte gestoppt und Sanktionen verhängt.
Nationalistische Schutzmacht
Der Herr Putin spricht gerne davon, dass Russland keinerlei Gelüste auf das Territorium anderer Staaten verspüre. Aber dass Russland sehr wohl Schutzmacht aller Russen im Ausland ist. Und wenn Russland Russen im Ausland bedroht sieht, dann müsse Russland eben eingreifen. Wenn sich Russland dabei sozusagen nebenbei fremdes Territorium unter den Nagel reißt, dann muss das die Staatengemeinschaft eben so hinnehmen.
Mit ähnlichen Begründungen haben schon andere Staaten Länder, Kontinente, gar die ganze Welt mit Krieg überzogen. "Heim ins Reich" diente den Nazis als Begründung, in Nachbarländer einzumarschieren. Umsiedlungen, ethnische Säuberungen und Massaker waren ein Kennzeichen des Bosnienkriegs. Nationalismen sind immer ein schlechter Berater.
Ach so friedlich
Wenn der Herr Putin und die seinen ach so friedlich wären, wie sie immer vorgeben, warum rasseln sie dann aller Orten mit dem Säbel? Warum kommt er nicht mit einer Flasche Wodka unterm Arm und sag frei heraus "Ich hab die Kalaschnikow daheim gelassen. Lasst uns feiern und tanzen. Lasst uns Brüder und Schwestern sein. Lasst uns gemeinsam nach Frieden und Freiheit streben." Warum schickt er keinen Brief an die NATO mit der Bitte um Aufnahme?(1) Warum führt er die NATO nicht auf diese Weise ad absurdum? Denn wenn die NATO in Russland keinen Feind mehr hat, für was dann noch ein Militärbündnis mit Raketen auf Moskau?
Aber nein, das mach der Herr Putin nicht. Der Herr Putin rasselt mit dem Säbel. Er lässt Panzer auffahren. Er schickt Soldaten in Nachbarländer.
Labern, Labern
Hierzulande bekommt man wenig davon mit, was der Herr Putin seinem Volk für Geschichten auftischt. Ob er auch da den rasselnden Säbelmann gibt. Ob er die Krise totschweigt. Ob er den Westen für die Eskalation verantwortlich macht. Man weiß es nicht.
Was man aber weiß, das ist die vielstimmige Kakophonie des Westens. Während besonnenere Staaten - ich zähle Deutschland mal dazu - auf Gespräche setzen und sich daher mit markigen Worten und unüberlegten Taten zurück halten, poltern andere Staaten, als wenn sie sich nichts sehnlicher wünschten, als dass Russland an der Grenze zur Ukraine endlich aktiv werde. Um ihre Macht zu beweisen, um ihre Waffen einsetzen zu können, um die Welt im neuen Jahrtausend in den Abgrund zu stürzen.
Ein Herr Biden
Wenn ich mir das Gesabbel des Herrn Biden auf der Zunge zergehen lassen, dann entstehen Bilder von einem senilen Greis in meinem Kopf. Mit ähnlich wirren Aussagen, die sich im Nachgang als gänzlich falsch und an den Haaren herbeigezogen entpuppten, führte ein Herr Bush die Koalition der Willigen 2003 gen Irak und destabilisierte die Region bis heute. Es stünde dem Präsidenten einer Supermacht gut zu Gesichte, sich zu mäßigen. Nicht zwischen Kinderklamotten von Russischer Invasion zu schwadronieren.
(1) Kurz vor seiner Reise nach Moskau warb er [Bill Clinton / 2000] grundsätzlich für eine Aufnahme Russlands in die NATO und die Europäische Union.
handelsblatt.com: Clinton: Russland gehört in die Nato