Abt.: Bis alle weinen

Vom Angreifen und vom Verteidigen

Es lässt uns gut schlafen, wenn wir Horror und Gewalt aus dem Schlafzimmer heraus halten. Wenn wir aber aufwachen, dann ist alles wieder da. Und wir müssen die Augen vor der Konsequenz verschließen. Denn die Konsequenz ist keine gute...

Ihr kennt vielleicht folgende Situation:

Zwei Kinder balgen sich. Es sind zwei Buben. Natürlich sind es Buben. Der eine sichtlich genervt von der Balgerei. Der andere voller Eifer und Ernst. Der eine bekommt Oberhand und will das Gerangel beenden. Der andere denkt gar nicht daran und strampelt und beißt und zwickt. Der eine hält den anderen im Schwitzkasten, dass es eine Freude ist. Er bietet an "Ich lass dich los, wenn du aufhörst". Der andere willigt ein. Der eine lässt los. Der andere beginnt sofort wieder mit Treten, Schubsen und Schlagen. Irgendwann reicht es dem einen und er langt sauber hin. Der andere läuft flennend zur Mama. Die Mama schimpft den einen. Der andere feixt und gluckst im Rücken der Mama.

Eigentlich tut das nichts zur Sache, denn ich mache mir gerade über ganz anderes Gedanken. Nämlich Krieg und wer was darf. Also eigentlich darf ja niemand Krieg. Weil man schmerzlich erfahren musste, dass Krieg... eben schmerzlich ist. Dass niemand was davon hat. Nicht der Angreifer, nicht der Angegriffene (1).

Greift jetzt doch ein Staat einen anderen an, dann hat der andere ein Recht auf Selbstverteidigung. Darf also zurück schlagen. Um das Territorium zu verteidigen. Um die Bevölkerung zu schützen. Um Verhandlungen zu erreichen. Um den Angreifer zu vertreiben und kampfunfähig zu machen.

Und um letzteres mache ich mir Gedanken. Wann ist eine Kriegspartei denn kampfunfähig?
Wenn sie keinen Nachschub mehr an die Front bringen kann?
Wenn ihr Material und Menschen ausgehen?
Wenn das angreifende Land besetzt und zur Kapitulation gezwungen ist?

Ihr ahnt schon, es geht einmal mehr um die Ukraine und um Russland. Und darum, ob die NATO der Ukraine erlauben soll, gelieferte Waffen auch auf Russischem Gebiet einzusetzen.

Ist das nicht ein bisschen so, wie einen Hund am Gängelband zu halten? Und nur immer gerade so viel Leine los zu geben, dass der Hund zwar zwicken, aber nicht richtig zubeißen kann.

Die Ukraine weiß, die NATO auch, dass und wo im Russischen Grenzgebiet Flugzeuge betankt, Drohnen startklar gemacht werden. Wo Truppen zusammengezogen und Panzer aufgefahren werden. Das weiß Russland von der Ukraine auch. Russland geht da jederzeit rein, um den Nachschub der Ukraine stören und zerstören. Als Aggressor wird es niemand daran hindern. Die Ukraine darf das nicht, weil sie sonst keine Waffen mehr bekommt und sich nicht mehr verteidigen kann.

Ist das nicht ein perfides scheiß Spiel? Der Ukraine gerade so viel Unterstützung zukommen zu lassen, dass sie nicht unter geht. Weil man die Ukraine als Bollwerk gegen Putin braucht. Der Ukraine sagen, wir helfen dir schon. Bluten darfst du, aber nicht gewinnen.

Dabei schwingt immer - ausgesprochen oder unterschwellig - eine Angst vor Putin mit. Eine Angst vor seiner Unberechenbarkeit. Eine Angst vor seiner Skrupellosigkeit. Die Angst davor, dass Putin eher die ganze Welt auslöscht, bevor er sein Gesicht verliert.

Jetzt haben wir die Situation, vor der wir in den 80ern solche Angst hatten. Heute sitzt ein Irrer vor dem Koffer mit dem roten Knopf. Und der Kopf scheint ernsthaft mit dem Gedanken zu spielen, die Auslöschung der Menschheit als eine mögliche Option in seiner wirren Realitätsverschiebung zu sehen.

(1) Lassen wir jetzt mal den Abschaum der Rüstungskonzerne und Kriegsgewinnler außen vor.