Abt.: Soylent Green

Why Food?


Essen zubereiten ist eine große kulturelle Fertigkeit. Von Generation zu Generation weiter gegeben und weiter entwickelt. Von kreativen Köpfen zu immer neuen kulinarischen Höhepunkten getrieben. Auf unzähligen Seiten nieder geschrieben.

Traditionell ist die Küche der Großmutter die beste. Oder auch die der Mutter.

Stunden haben sie in der Küche verbracht um Schmackhaftes auf den Tisch zu zaubern. Auf den Tisch, um den sich Familie, aber auch Verwandtschaft, Freunde und Gäste versammelten.

Dabei hat jede Zeit ihre Höhe- und auch Tiefpunkte. Während meine Oma - und das ist einer der Höhepunkte - wusste, wie sie mit einfachsten Zutaten und viel Liebe Kinder und Enkel verwöhnen konnte, erlebte die Küche bei meinen Eltern sozusagen einen Rollback. Es war die Zeit der Packerlsuppen, Pfanniknödel und Kartoffelpüree aus der Tüte. Erst sehr spät lernte ich, dass ein Kartoffelbrei aus echten Kartoffeln um Welten besser schmeckt, als die Einrührflocken aus dehydrierten Kartoffelchips. Und dass der selbst gestampfte Brei nur unwesentlich mehr Arbeit macht.

Während Tiefkühlkost Supermarkt und Gefriertruhe eroberte, bemühten sich parallel dazu namhafte Köche im Fernsehen gegenseitig mit immer bizarreren Kreationen zu überbieten. Ein Schuhbeck hat Generationen von Jungköchen mit seinem Ingwerwahn verdorben. Und was der mit der Weißwurst angestellt hat, frage nicht.

Aber zumindest wurde gekocht, was das Zeug hielt. Kochbücher wurden verschenkt. Je exotischer, desto besser.

Jetzt ist wieder Rollback Zeit. Auf allen Kanälen schreit es: Kochen ist Zeitverschwendung. Essen ist lästig. Auf den Markt gehen und Lebensmittel kaufen ist für Looser.

Mit unterschiedlichen Konzepten wollen uns fürsorgliche Klein- und Großunternehmer von der einen oder anderen Last befreien. Oder von allen auf einmal.

Rewe, Flinkster und Flaschenpost (1) liefern den Einkauf bis an die Haustür. Foodora und Lieferando das fertige Essen.

Die Krönung der Perversion ist jedoch Y-Food. Eine Nahrungspampe in der Plastikflasche. Die so jede Nähe zu Kulinarik und Geselligkeit vermissen lässt. Die Werbung dazu suggeriert, dass Nahrung zubereiten und zu genießen ein lästiges Überbleibsel aus der Zeit der Neandertaler sei. Mit dem Erwerb einer Flasche Y-Food lässt sich die Nahrungsaufnahme samt Drumherum auf ein Minimum reduzieren. Zum Scheißen tut's es.

Irgendwie erinnert mich das sehr an Soylent Green. Niemand weiß aus was die Pampe ist. Niemand interessiert sich dafür.

Möchte ich in so einer Zukunft leben? Nein. Ich werde die Kochkunst hoch halten. Nach Kräften.

PS.: Bei Y-Food steckt übrigens Nestlé mit drinnen. Die sich auch schon Ankerkraut unter den Nagel gerissen haben. Und ich muss sagen, die Kritikpunkte an Nestlé (2) sind beachtlich...

1. Allerdings lasse ich mir Cola, Fanta, Bier auch gerne von der Flaschenpost in den Garten liefern.
2. [wikipedia]: NestléNestlé